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AutorenbildHans-Jürgen Heck

Benzin, Gas und jetzt der Strom



Alles wird teurer – jetzt auch der Strom ⚡️


In den letzten Wochen haben sich die Hiobsbotschaften rund um das Thema Energie in ihrer Dramaturgie immer wieder selbst übertroffen.

Auch Selbstverständlichkeiten, wie der Besuch im Restaurant oder das Volltanken an der Tankstelle, sind zu teuren Angelegenheiten geworden.


Zudem herrscht in der Bevölkerung, bei den Unternehmen und auch in der Politik große Unsicherheit, wie mit dem Thema Energie umgegangen werden soll.


Unser Kollege und Senior Advisor, Hans-Jürgen Heck, schaut im heutigen Artikel auf das Energiechaos und versucht etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

 

„Unsere Abschlagszahlung für die Gasheizung hat sich von 140 Euro auf 445 Euro im Monat erhöht“, berichtete vergangene Woche eine Familie aus Niedersachsen einer Zeitung. „Schnitzel 31,90 Euro, Schweinebraten 30,90 Euro“ steht in schnörkliger Schrift auf einer Kreidetafel vor einem Lokal in Südbayern, hundert Meter weiter verkündet die Anzeigetafel einer Tankstelle, dass ein Liter Diesel jetzt 2,18 Euro kostet. Gas, Essen, Treibstoff: alles wird in rasantem Tempo teurer. Allein im August lag die Inflationsrate bei 7,9 Prozent.


Dazu kommt jetzt eine neue Hiobsbotschaft: der Strom wird viel teurer, vielleicht extrem teuer. Manuel Frondel, Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie der Ruhr-Universität Bochum, fürchtet gar, dass der Strompreis in „ungeahnte Höhen“ steigen könnte. Konkret: Bereits jetzt kostet Strom an der Strombörse mehr als 50 Cent pro Kilowattstunde – eine Verdopplung seit Beginn des Jahres, die beim Endverbraucher noch gar nicht angekommen ist.


Hauptgrund dafür ist ein Konstrukt, das sich „Merit-Order“ nennt. Insgesamt funktioniert das Modell so, dass Erzeuger, die günstigen Strom produzieren, gemäß der Merit-Order als Erstes zur Einspeisung zugeschaltet werden. Danach werden weitere Kraftwerke dazugeschaltet, deren Grenzkosten höher sind - bis die Nachfrage gedeckt ist. Am Ende wird an der Strombörse der Preis für Strom nach den Kosten des teuersten Stromproduzenten berechnet – soll heißen, dass alle Kraftwerke denselben Preis für ihre Einspeisung ausgezahlt bekommen, auch wenn sie unterschiedliche Herstellungskosten haben.


Am teuersten produzieren im Moment die Gaskraftwerke, weil Gas immer knapper und damit teurer wird. Von dem Merit-Order System profitieren andere Stromproduzenten. Weil Kohle und Öl billiger ist als Gas, fahren die mit diesen Stoffen gefütterte Kraftwerke ihre Gewinne nach oben, noch kräftiger sprudeln die Einnahmen bei den Betreibern von Wind- oder Solarparks, weil Wind und Sonne kostenlos sind.


In einem Ranking der Stromkosten von 40 Ländern ermittelte statista schon im vergangenen Jahr, dass Deutschland an zweiter Stelle steht. Nur in Bermuda war der Strom mit 37 Cent pro Kilowattstunde noch einen Cent teurer als hierzulande. Zum Vergleich: Die Schweden zahlten für die Kilowattstunde 19 Cent, die Amerikaner nur 15. In dieser Situation wird die Unsicherheit in der Bevölkerung weiter geschürt. Trotz der kritischen Lage sollen die drei noch laufenden Kernkraftwerke Ende des Jahres vom Netz genommen werden. Was bei den Wirtschaftsweisen in beeindruckender Einhelligkeit und Deutlichkeit genauso auf Kritik stößt wie bei Union und FDP. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke bringt es in der ihm eigenen trockenen Art auf den Punkt: Es wäre „vollkommen bescheuert", mitten in der größten Energiekrise, die Deutschland seit 70 Jahren erlebe, zusätzliche Kapazitäten vom Netz zu nehmen. Jede einzelne Kilowattstunde, die nicht fürs Netz zur Verfügung stehe, erhöhe den Preis. Es müsse jetzt "alles rein, was geht", um den Preis zu stabilisieren, forderte Woidke.


Insgesamt sind zwei Drittel der Bundesbürger für eine Weiternutzung bis zum Jahr 2024. Selbst 52 Prozent der Anhänger der Grünen sind dafür, die drei Kernkraftwerke weiter laufen zu lassen. Stattdessen sollen sie stillgelegt werden, was zu einer noch stärkeren Nutzung von Kohle und teurem Gas führt und die Strompreise weiter anheizen wird, weil Fotovoltaikanlagen und Windräder nicht innerhalb weniger Wochen gebaut werden können.

Und: Eine Laufzeitverlängerung der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke würde nach Einschätzung des IFO-Instituts den Anstieg der Strompreise bremsen. Nach Berechnungen der Münchner Ökonomen könnten die Kraftwerke im kommenden Jahr etwa vier Prozent des Stroms in Deutschland erzeugen. Der Preis wäre demnach ebenfalls vier Prozent günstiger als bei einer Abschaltung.


Mittlerweile hat die Bundesregierung zwar eine Strompreisbremse angekündigt. Wann sie, wie und ob sie überhaupt kommen wird, ist aber noch völlig unklar. Entlastet werden sollen private Haushalte, aber auch Unternehmen. Für 75 Prozent des Bedarfs der Haushalte soll der Strompreis auf 30 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Auf die restlichen 25 Prozent würden die explodierenden Preise dann aber voll durchschlagen. Apropos: erste Stadtwerke haben bereits angemerkt, dass sie über keinerlei PC-Programme verfügen, die diese neue Berechnung durchführen könnten.


Noch völlig unklar ist, was mit der Industrie passiert, wenn die Preise weiter durch die Decke gehen. Und: auch mittlere oder kleinere Betriebe wie Reinigungen, Wäschereien oder Bäckereien, die einen immensen Strombedarf haben, geraten zusehends in die Bredouille - auch für sie müssten die Preise schnellstens gedeckelt werden. Ob und wie das passiert, ist ebenfalls noch offen. Ein erstes prominentes Opfer gibt es bereits. Den Papierhersteller Hakle haben die hohen Grundstoff- aber vor allem die Energiepreise ruiniert. Er musste bereits Insolvenz anmelden, sechs Jahre vor seinem 100-jährigen Jubiläum.


Dabei ist das wichtigste, was jetzt gebraucht wird, Planungssicherheit. Für Menschen und auch Unternehmen ist die Ungewissheit, wie es weiter geht, Gift. Sie führt zur Kaufzurückhaltung, weil Geld für Energie angespart wird. Eine Entwicklung, die wiederum Handel, Gastronomie und Unternehmen voll treffen wird …

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